Wie in meiner Vorstellung kurz geschrieben, komme ich aus dem BMW- bzw. Z4-Lager. Auf der Suche nach einem Nachfolger landete ich kurz bei der Überlegung einen Mustang zu nehmen und verfiel dann auf den Camaro. Also beide mal gefahren und meine Erfahrung mit anderen Z-Fahrern geteilt - dort gibt es doch einige, die sich den Camaro genauer ansehen.
Daher teile ich auch hier mal meine Eindrücke vom Camaro, nachdem ich den Mustang schon gefahren war. Wie gesagt, aus der Sicht eines Fremdfabrikat-Fahrers - aber vielleicht hilft gerade das dem einen oder anderen Interessenten.
"Ach, so groß ist der ja gar nicht!" war mein erster Gedanke, als man mir bei Geiger anbot, dass ich meinen Z in die Tiefgarage fahren solle, wo dann auch der Camaro stehen würde. Gleich gegenüber von meinem Stellplatz standen 2 neue, schwarze Camaro 2016. Zuerst meinte ich, dass es an der Farbe liegen könne, dass einem der Ami-Schlitten nicht so groß vorkommt, wie ich erwartet hatte. Letztlich musste ich dann aber feststellen: der Schein trügt. Neben einem Dodge Challenger in Grün wirkt der Camaro klein - neben dem Z ist er aber ein "Trumm" von Auto.
Aber kurz einen gedanklichen Schritt zurück. Während ich beim Mustang doch neben aller Skepsis auch mit einer gehörigen Portion Vorfreude an die Probefahrt heranging, war ich beim Camaro fast noch skeptischer. Ja, gelesen hatte ich bisher sehr viel positives - aber das war beim Mustang auch so und letztendlich hatte er mich dann doch ein wenig enttäuscht. Vielleicht liegt es also einfach an dieser Gattung Auto und ich würde im Chevy ähnliches erleben wie bereits beim Ford: mächtiger Motor, aber keine Entzückung, vergleichsweise geringer Preis, aber entsprechend billig anmutender Innenraum.
Aber was nützt es, sich den Kopf zu zerbrechen und viel zu lesen: selber fahren!
Bei Geiger Cars steht im Verkaufsraum ein erstes neues EU-Modell des Camaro. Hier wurde mir gleich erklärt, dass die Modelle für den deutschen Markt keine "SS" Bezeichnungen tragen dürfen. Außen wäre mir das recht gleichgültig, da ich sowieso keine Typbezeichnungen o.ä. am Auto mag. Im Innenraum ist es etwas schade, denn "SS" im Sitz und im Lenkrad sieht recht hübsch aus. Nun, sei es drum - man wird damit leben können oder rüstet es eben nach.
Dann also ab in die besagte Tiefgarage, wo mir die nette Dame des Autohauses den Camaro aus der Parklücke holte. Ich gebe zu, ich zuckte wohl kurz leicht zusammen, als sie den Motor startete. Tiefgarage, V8, Klappenauspuff, kalter Motor. Holy Moly!
Es faucht, es schreit - bevor dann alles in ein wohliges, tiefes Blubbern übergeht.
Kurz ein paar Instruktionen, wobei ich schnell feststelle, dass es keine Fragen bei der Bedienung gibt. Alles so, wie man es auch von deutschen Herstellern gewohnt ist.
Ich nehme Platz, sehe mich etwas um, begrabsche ... das Leder der schwarzen Sitze. Wenn man bisher oft meinte "Bitte die Außenoptik des Camaro, aber innen lieber Mustang", dann hat sich das für meinen Geschmack geändert - was den Innenraum angeht.
Gefällige Optik, aufgeräumt, alles dort, wo man es vermuten würde (oder man hat schnell heraus, wo es auch Sinn ergibt), die Lederqualität gut, die Kunststoffe in Ordnung, Hartplastik ja - aber gut integriert. Das Lenkrad liegt gut in der Hand, sieht sportlich aus. Auch die Ergonomie scheint auf den ersten Blick zu passen. Auf den zweiten Blick ist da natürlich die hohe Seitenkante. Mit meinen 1,83m würde ich mich als europäischen Durchschnitt bezeichnen und mir ging die Türkante bis etwa auf Schulterhöhe. Ungewohnt und sicher nicht optimal für jemanden, der gerne den Ellbogen auf die Türbrüstung legt - aber andererseits auch ein gewisses Gefühl an Sicherheit vermittelnd. Kopffreiheit ist noch vorhanden, wenn auch nicht viel.
Gefällt mir!
"Sie kommen allein aus der Tiefgarage?" Also bitte, welch Frage!
So ganz unberechtigt war die Frage dann wohl doch nicht. Die Unübersichtlichkeit des Wagens wurde bereits in vielen Fahrberichten kritisiert. Ich muss sagen, ich finde sie etwas übertrieben - aber von der Hand zu weisen ist sie wirklich nicht: Von der Motorhaube sieht man links eine Erhebung, rechts ebenfalls und in der Mitte eine. Das war es aber auch schon. In den Seitenspiegeln schwingen sich die mächtigen hinteren Radkästen auf und nehmen so 2/3 des Blickfeldes ein. Und im Rückspiegel (der übrigens rahmenlos sehr hübsch ist) sieht man durchaus etwas - was einem aber eine enge Tiefgaragenausfahrt hinauf nicht wirklich hilft. Also zurück zu meinem ersten Gedanken beim Anblick des Wagens ... tja, getäuscht: der ist groß!
Nachdem ich die Garage gemeistert habe fällt mir auf, dass ich offenbar immer noch grinse wie ein kleiner Schuljunge. Der Sound! Hammer. Oder geil. Auf jeden Fall stets präsent. Tiefes Grummeln, Blubbern. Später auf der Autobahn auch mal heißer brüllend. Im Stealth-Modus (optionaler Klappenauspuff) zurückhaltender, nicht im Vordergrund, aber hörbar. Egal ob Sport oder Track: Unüberhörbar, rau. Aktiviert man "Rev match" (nur bei Schaltgetriebe), wird automatisch ein wenig Zwischengas initiiert beim Runterschalten. Tolle Spielerei, wenn man jeden Passanten wissen lassen möchte, dass hier ein muskulöser Ami V8 unterwegs ist. A propos Schaltgetriebe: knackig, präzise, gut zu schalten. Ich denke, die 8-Gang-Automatik würde mir persönlich noch besser zum Auto gefallen.
Der Fahreindruck allgemein: Es rappelt nicht, es scheppert nicht. Kurze Unebenheiten oder Querfugen bringen etwas Unruhe ins Lenkrad, aber nicht dramatisch. Ansonsten sitzt der Wagen so auf der Straße, wie er auch von außen wirkt: satt. Straff ja, aber nicht unkomfortabel. Enge Kurven mit etwas Schwung genommen lassen sich präzise fahren und dabei entdeckt man zudem, dass der Wagen seine Ausmaße und sein Gewicht (ca. 1,8t) gut kaschieren kann. Vorsicht aber am Kurvenausgang, denn dort sollte der Gasfuß nicht zu schwer sein. Was der Camaro nicht kaschiert, ist seine Kraft. Mag man früheren Modellen nachgesagt haben, dass man die auf dem Papier angegebene Leistung nicht spürt - hier scheinen mir alle 455Ps sehr munter zu sein.
Auf der Autobahn stürmt der Camaro gut vorwärts. 230 Km/h waren gestern kurz machbar und das fühlt sich sicher und spielerisch an. Lediglich die deutlich "schwingende" Motorhaube ist hier ein Kritikpunkt, denn das irritiert doch sehr. Je nach Modus, in dem sich die Klappenanlage befindet, lässt sich diese Geschwindigkeit eher sonor, oder auch brachial untermalt erreichen.
Abbremsen: problemlos, kein Verziehen, deutliches Verzögern, Pedalgefühl gut.
Leider war die Zeit für die Probefahrt dann recht schnell vorbei. Kurz nach Hause konnte ich nicht, leider, denn das Urteil meiner Frau hätte mich noch interessiert. Das meiner Jungs steht eh schon fest.
Auf dem Rückweg also noch ein wenig Landstraße und dann ein Stück durch die Stadt. Wie schon geschrieben, halte ich die vielfach kritisierte Unübersichtlichkeit für übertrieben. Man gewöhnt sich daran, lernt das Auto einzuschätzen und ja, man sollte sich den Schulterblick wieder angewöhnen - alles machbar. Woran man sich wohl kaum gewöhnt, ist dieser Sound. Immer wieder genial.
Kritik: Kleinigkeiten, wie ich sie schon angesprochen habe. Zudem sind die Rücksitze tatsächlich den Namen kaum wert (gefühlt ist es ein Zweisitzer) und dann wäre da noch der recht enge Zugang zum Kofferraum. Sei's drum.
Mein Fazit: Nachdem ich den Mustang gefahren bin hatte ich nun sicher eine andere Einstellung zu dem Thema US Muscle Car. In den Ford bin ich nicht nur physisch, sondern auch gedanklich direkt vom Z4 umgestiegen. Beim Camaro habe ich mich bemüht, ihn nicht mit dem Z, sondern eben mit dem Mustang zu vergleichen. Und da gewinnt für mich der Camaro. Deutlich.
Das Styling des Innenraums mag beim Mustang pfiffiger sein, aber die bescheidenen Materialien tragen dem nicht Rechnung. Dann lieber einfacher im Design, aber dafür passend.
Von der Optik her ist der Camaro weniger europäisch - und das ist dann sicher eine Frage des Geschmacks - aber ich denke mir, wenn schon, denn schon.
Im Mustang sitzt man mit dem Bewusstsein, einen Mustang, eine Ikone zu fahren. Diese Gefühl mag über manches hinweg helfen. Ich glaube, das ist ähnlich wie in einem Porsche. Der Camaro ist eben ein Chevy - viele Leute dürften nicht wissen, was da eben an ihnen vorbei blubberte.
Tim